Ramona Pop über den Überrraschungseffekt von Röcken, ihre Zeit als jüngste Abgeordnete und ihr Geburtsland Rumänien
In einem Interview 2013 verrätst du, dass du aufgrund deines modebewussten Auftretens mit Kleidern und Röcken oft unterschätzt wirst. Kannst du das näher erläutern?
Bei mir gibt es tatsächlich oft einen Überraschungseffekt. Ich bin ja mit 24 Jahren schon Abgeordnete geworden, damals dachten bestimmt einige, die Praktikantin betritt den Raum, bis sie eines Besseren belehrt wurden. Wenn ich dann mit einer zielsicheren Frage ins Schwarze traf, war man schon verblüfft. Dieser Effekt funktionierte ziemlich gut. Allerdings immer nur einmal. In Verhandlungen ist das ein Vorteil. Ich habe mich am Anfang natürlich darüber geärgert, im ersten Moment nicht ernst genommen zu werden. Inzwischen weiß ich, dass es oft von Vorteil ist, erstmal unterschätzt zu werden.
Du warst bei deinem Eintritt die jüngste Abgeordnete des Berliner Parlaments. Welche Vor- und Nachteile ergaben sich daraus?
In der Tat war das nicht nur eine einfache Sache. Ich hatte den Vorteil, bereits vor Eintritt ins Abgeordnetenhaus politische Erfahrungen gesammelt zu haben. Ich war bei der Grünen Jugend Bundesvorsitzende und in der Grundsatzkommission der Partei tätig. Diese Erfahrungen waren hilfreich, auch wenn parlamentarische Arbeit sich von Parteiarbeit stark unterscheidet. Für mich ist es ein großes Privileg in einem Parlament Politik mitgestalten zu können und an den wichtigen Themen unserer Stadt nah dran zu sein. Nicht ganz einfach war, dass ich damals noch mein Studium abschließen musste, als ich bereits ins Abgeordnetenhaus eingezogen war. Ich musste also viele Dinge parallel bewältigen. Es war aber auch zugleich ein Ansporn, weil ich mit meiner Abschlussarbeit fertig sein wollte, um dann endlich in den Hauptausschuss gehen zu können. Ich bin bis heute stolz darauf, den Abschluss trotz Politik damals gestemmt zu haben.
…und die mediale Aufmerksamkeit war dir bestimmt auch sicher?
Die Story der jüngsten Abgeordneten ist natürlich immer gut! Das interessiert die Öffentlichkeit. Es besteht bis heute zu dem ein oder anderen Journalisten eine Verbindung aufgrund der ersten Kontakte damals. Das war anfangs sicherlich auch ein Vorteil, weil mein Name dadurch schon bekannter war.
Was verbindest du noch mit deinem Geburtsland Rumänien?
In erster Linie verbindet mich meine Kindheit mit Rumänien und die Geschichten, die ich noch in Erinnerung habe. Ich erinnere mich besonders an die letzten Jahre des Sozialismus, in denen die Versorgung immer schlechter wurde. Das begann Anfang der 80er Jahre: Immer häufiger fiel der Strom aus und die Heizung funktionierte teilweise gar nicht mehr. Die Winter in Rumänien sind mit Temperaturen von -15°C sehr kalt. Auch die Grundnahrungsmittel wurden knapper. Ich erinnere mich an lange Schlangen beim Bäcker oder Fleischer. Aber auch mein heißgeliebtes Pistazieneis gab es irgendwann einfach nicht mehr. Obwohl alles immer grauer und immer weniger wurde, glaubte keiner ernsthaft an einen baldigen Zusammenbruch des Systems. Ich ging auf eine deutsch-rumänische Schule und hatte viel mit den Kindern der deutschen Minderheit zu tun. Wenn ich mit meiner Oma auf den Markt ging, wurde ein Mix von Rumänisch, Deutsch, Ungarisch und sogar Serbisch gesprochen, was typisch für meine Geburtsstadt Timisoara in West-Rumänien ist. Das prägt mich bis heute. Ich habe „Multi-Kulti“ täglich erlebt, ohne damals überhaupt zu wissen, was der Begriff bedeutet. Das war selbstverständlich für mich zu der Zeit.
Welche politischen Themen sind für dich zurzeit am zentralsten?
Ich bin vor allem aus Gründen des Gerechtigkeitsempfindens in die Politik gegangen. Die Sozial-, Jugend- und Arbeitspolitik waren mir von Beginn an sehr wichtig. Ich denke, dass auch die Finanzpolitik zentral mit Fragen der Gerechtigkeit zu tun hat. Da geht es dann vor allem um die Verteilungsgerechtigkeit. Wie verteilen wir das Geld heute? Was hinterlassen wir den nachfolgenden Generationen? Berlin befindet sich zurzeit in zahlreichen Umbrüchen. Die Bevölkerungszahl steigt, die Wirtschaft zieht an, die Arbeitslosenzahlen sinken. Dennoch sehe ich vermehrt Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die jeder Aufschwung mit sich bringt. Diesen Problemen muss man sich annehmen. Für die Finanzpolitik ist zentral, dass das Geld, das am Flughafen BER verschleudert wird, für die Sanierung der Bädern, Schulen oder Kitas fehlt. Was sich bei Rot-Schwarz an Schattenverschuldung andeutet, gefährdet die nächsten Generationen enorm. Das kann man nicht so stehenlassen. Ich denke das zeichnet Grüne Politik auch aus: Immer den Blick auf die Zukunft zu haben.
Das Interview führte Marc Siepe.
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