Artikel von Jens Anker 02.03.11. Berlin – Wegen einer Behördenpanne konnten 100 befristete Stellen in den Berliner Jobcentern nicht wie geplant zum 1. März besetzt werden. Statt einer Arbeit im Jobcenter nachzugehen, müssen sich die Betroffenen jetzt arbeitslos melden. „Das ist eine Katastrophe“, räumte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, Burgunde Grosse, ein. Die Arbeitsagentur hatte zum 1. März 100 Stellen in den Jobcentern zur Verfügung stellen wollen, dafür die Mitarbeiter bereits ausgewählt und zur Vertragsunterzeichnung eingeladen. Doch einen Tag vor dem Termin erhielten die Ausgewählten ein Schreiben, in dem ihnen die Arbeitsagentur mitteilte, sie sollten sich arbeitslos melden. Das war für die 100 potenziellen Mitarbeiter doppelt ärgerlich, da sie zuvor ihre Beschäftigung gekündigt hatten.
Die Arbeitsagentur räumte die Panne am Dienstag ein. „Wir bedauern das“, sagte der Sprecher der Agentur, Olaf Möller. Es fehle an einer wichtigen Gremienentscheidung. Den Betroffenen soll allerdings kein weiterer Schaden entstehen. „Sie erhalten keine Sperre der Leistungen.“ Da die von der Arbeitsagentur düpierten neuen Mitarbeiter andere Beschäftigungen von sich aus gekündigt hatten, befürchteten sie die übliche dreimonatige Sperrung ihrer Leistungen.
Freie Träger vor dem Aus
Die Sozialverwaltung zeigte sich verwundert über das Vorgehen der Arbeitsagentur, vom Land aus sei das nötige Geld zur Einrichtung der Stellen bereitgestellt.
Dagegen sehen die Grünen die Verantwortung dafür beim Senat. „Das sollte der rot-roten Regierung peinlich sein“, sagte Fraktionschefin Ramona Pop. Es sei bedauerlich, dass sich Berlin nicht an dem Programm „Bürgerarbeit“ beteilige. Insgesamt versage der Senat bei der Arbeitsmarktpolitik jenseits des Öffentlichen Beschäftigungssektors. „Der Senat schafft es nicht, arbeitsmarktpolitisch etwas auf den Weg zu bringen“, sagte Ramona Pop am Dienstag.
Für die Geschäftsführerin des freien Trägers „Goldnetz“, Gisela Pfeifer, ist das Vorgehen skandalös. „Jetzt haben die Betroffenen schneller ihren Job verloren, als vorgesehen – das ist eine tolle politische Leistung“, sagte Pfeifer, die selbst zwei Mitarbeiter durch das Manöver der Arbeitsagentur verloren hat. Da die Mitarbeiter von sich aus die alten Stellen aufgegeben haben, können sie nicht wieder zurück. „Kein Träger kann sie zurücknehmen.“ Auch Goldnetz leidet nach Angaben Pfeifers unter den Kürzungen des Bundes. Das Unternehmen muss sich von der Hälfte der 80 Mitarbeiter trennen und bereits 1000 Quadratmeter an Büroflächen aufgegeben, weil es keinen Bedarf mehr gibt. „Wir hoffen, dass wir auf geringerem Level weiterarbeiten können“, sagte Pfeifer.
Die Ursache für die Panne in der Arbeitsagentur liegt in der Umsetzung der vom Bund beschlossenen Reformen im Zusammenhang mit der Betreuung von Arbeitslosen.
Mit dem Programm „Joboffensive“ sollen in Berlin 700 befristete Stellen entstehen, die zur besseren Beratung von Langzeitarbeitlosen in den Jobcentern beitragen sollen, 100 Stellen sollte das Land beisteuern. Nachdem die Bundesregierung das Geld zur Finanzierung von Hilfsangeboten für Langzeitarbeitslose gestrichen hatte, droht vielen sozialen Trägern das Aus. Einer der größten Anbieter von Qualifizierungsmaßnahmen, die Firma Lowtec, hat wegen der schwierigen Lage bereits am Montag Insolvenz angemeldet. 600 Arbeitsplätze sind gefährdet. „Im Rahmen der Bemühungen, die vorstehend genannte Gesellschaft finanziell zu sanieren, ist eine strategische Insolvenz zum Erhalt und zur Fortführung des Unternehmens geboten“, heißt es in einem Schreiben des Unternehmens. Alle bestehenden Verträge sollen erfüllt werden. Das Unternehmen strebt nach durchlaufener Insolvenz die Fortführung der Tätigkeit an.
Koalition über ÖBS zerstritten
Auch an anderer Front droht dem Senat Ärger. Die ursprünglich für Anfang des Jahres neu geschaffenen 2300 Stellen im Öffentlichen Beschäftigungssektor (ÖBS), sind ebenfalls vorerst vom Tisch und auf den Sommer verschoben. Hier sollten 2300 Stellen, die aus dem Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ finanziert und mit 900 Euro im Monat vergütet werden, mit Mitteln des Landes auf das übliche ÖBS-Gehalt von 1300 Euro aufgestockt werden. Doch der Hauptausschuss soll sich jetzt er im Mai mit der Finanzierung auseinandersetzen, so dass die Stellen frühestens zum 1. Juni entstehen können.
Die Regierungskoalition hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, die 2300 Stellen auch in diesem Jahr zu erhalten, um den Öffentlichen Beschäftigungssektor „zu verstetigen“. Der ÖBS war auf Initiative der Linkspartei entstanden und sichert den darin Beschäftigten einen Lohn von mindestens 1300 Euro monatlich zu.
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