Sehr geehrter Präsident,
meine Damen und Herren,
alle fragen sich, wann geht es endlich mit dem Regieren los.
Wie schon einst Otto Reutter seinen gewissenhaften Maurer besang: „Aber gewiss, lieber Mann, da fang´n wir gleich morgen an! Also um acht soll er ankomm´n -´ne Stunde vegeht- Aber nun geh´n wir ran – nu fang´n wir gleich an, steckt die Pfeife in Brand – die geht fünfzehnmal aus.- Und wie sie brennt, sagt er dann: “ Nu fang´n wir gleich an.“
Nachdem die Abgeordnetenhauswahl vom 18. September schon lange vorbei ist, kommen Sie jetzt Mitte Januar mit der Regierungserklärung – Sie haben die Stadt lange darauf warten lassen. Darauf warten lassen, zu erfahren, was sie denn nun von Rot und Schwarz zu erwarten haben.
Sie haben während Ihrer Koalitionsverhandlungen versprochen und im Koalitionsvertrag regelrecht beschworen, dass dies eine stabile Koalition der Vernunft sei. Doch ihre bisherige Tätigkeit war weder vernünftig noch stabil, sondern von internen Reibereien um Inhalte und Stellenbesetzungen, ersten Senatskrisen und Rücktritten geprägt – der erste Senator ist bereits über Bord gegangen. Was wir hier in den letzten Wochen erleben mussten, war ein veritabler Fehlstart.
Auch wir haben als Fraktion zu Beginn kein besonders gutes Bild abgegeben. Aber täuschen Sie sich nicht. Die grüne Fraktion hat sich berappelt, die grüne Fraktion steht und sie wird ihre Verantwortung als größte Oppositionsfraktion wahrnehmen.
„Friede, Freude, Große Koalition“ titelte die BZ am 22. November. Das war etwas voreilig.
Bereits bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters fehlten mindestens zwei Stimmen. Die angeblich unsicheren Kantonisten von den Grünen konnten es schlecht gewesen sein. Doch es blieb nicht bei diesem Patzer.
Die folgende Senatorensuche gestaltete sich äußerst mühselig, der Tagesspiegel spottete über die „Senatsreserve“.
Insbesondere die Zuschnitte der Ressorts sorgen bis heute für Kopfschütteln. Hier zeigte sich schon, dass bei Rot und Schwarz Proporz und Macht vor Inhalt und Sinnhaftigkeit gehen.
Absurd die Trennung von Wissenschaft und Forschung, gegen die die gesamte Wissenschaftslandschaft der Stadt Sturm lief. Aber wann hat sich Klaus Wowereit je von berechtigten Einwänden beeindrucken lassen? Eine vernünftige Erklärung für diese widersinnige Trennung hat dieser Senat bis heute nicht geliefert, stattdessen wird munter über die Geschäftsverteilung nach der Trennung gestritten.
Andere Ressortzuschnitte sind wohl allein mit parteiinterner Logik von SPD oder CDU zu erklären. Michael Müller verwaltet nun ein Mammutressort und hat nahezu alle großen Probleme der Stadt zu bearbeiten, vom Verkehr über die Stadtentwicklung mit den beiden Großprojekten Tegel und Tempelhof über die drängendste soziale Frage der explodierenden Mieten bis hin zu Umwelt- und Klimaschutz. Dass dabei Umwelt- und Klimaschutz auf der Strecke bleiben, fürchten wir besonders. Und auch die Aufstockung auf vier Staatssekretäre wird dieses Ressort nicht beherrschbarer machen.
Überhaupt die Staatssekretäre, deren Anzahl von diesem Senat um ein Viertel erhöht wurde. Bürokratieabbau kommt ja auch nur vor, wenn man nicht die eigenen Leute versorgen muss. Man fragt sich manchmal schon, was man tun musste, um NICHT Staatssekretär zu werden?
Besonders absurd ist die Geschichte „Aus eins mach drei“. Im Vorgängersenat gab es einen Staatssekretär für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Nun gibt es einen Staatssekretär für Umwelt (gibt es den eigentlich schon real?), einen Staatssekretär für Gesundheit und eine Staatssekretärin für Verbraucherschutz…
Trauen Sie Ihren eigenen Senatoren so wenig zu, oder warum haben Sie die Verwaltung dermaßen aufgebläht?
Nicht zu vergessen, Frau Scheeres musste zwar Forschung abgeben, hat zur Belohnung aber einen dritten Staatssekretär bekommen. Dieser muss vermutlich die aufwendige Koordinierung aufgrund der Trennung von Wissenschaft und Forschung übernehmen. Das ist wirklich Unsinn.
Womit keiner so schnell gerechnet hätte, war, dass die Große Koalition der 90er Jahre mit ihrer unappetitlichen Verquickung von Politik und Immobiliengeschäften wieder auftauchen würde. Nicht einmal wir, die dieses Schreckgespenst im Wahlkampf immerhin an jede Hauswand gemalt haben.
Kaum im Amt wurden Vorwürfe gegen den neuen Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun laut, er habe als sog. Mitternachtsnotar beim Verkauf von Schrottimmobilien mitgemacht. Er hat die Vorwürfe weder ausgeräumt, noch in irgendeiner Weise sich an der Aufklärung beteiligt und gar im Parlament die Unwahrheit gesagt – da war der Rücktritt das willkommene Ende einer würdelosen Darbietung. Wobei man von einem Rücktritt gar nicht sprechen kann. Herr Braun kam in den Genuss der Entlassung und der damit verbundenen ordentlichen Übergangsgelder. Bei diesem unschönen Spiel haben Sie ganz vorne mitgespielt, Herr Wowereit, auch wenn Sie sich sonst gerne wegducken!
Das hat es wohl noch nie gegeben, den ersten Ministerrücktritt noch bevor die Regierungserklärung stattgefunden hat. Nicht einmal bis zur Regierungserklärung hat die versprochene rot-schwarze Stabilität gehalten.
Nun wurde heute Thomas Heilmann als Justizsenator vereidigt. Ich frage mich die ganze Zeit, warum man wochenlang suchen musste, um dann Thomas Heilmann zu präsentieren. Er war doch immer schon da, als CDU-Vize und Verhandler des Koalitionsvertrages. Thomas Heilmann, der nicht Wirtschaftssenator werden wollte oder durfte… Bei allem Respekt, Herr Heilmann, das sieht nach einer Notlösung aus – aber respektabel, dass Sie sich in die Pflicht nehmen lassen.
Meine Damen und Herren von der CDU, ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, wer bei alldem auf Regierungsseite am schlechtesten wegkommt? Sie haben nach der gleichen Devise wie die damalige PDS im Jahre 2001 „Dabeisein ist alles“ gehandelt. Und dann haben Sie einen Koalitionsvertrag in 90 Minuten auf einem Parteitag abgenickt, der sehr nach SPD und kaum nach CDU aussieht. Vom Mindestlohn und dem Verzicht auf das Wahlpflichtfach Religion, bis hin zum Drug-Checking hat die CDU alles unterschrieben, was gestern noch des Teufels war. Frank Henkel hat sogar das vermasselte Besetzungsverfahren für den Polizeipräsidenten geschluckt und schluckt immer noch schwer daran.
Jetzt stehen Sie ziemlich alleine im Regen. Die Linkspartei kann vermutlich ein trauriges Lied davon singen, wie Klaus Wowereit nur alles Gute und Schöne einer Koalition für sich beansprucht und der Koalitionspartner für die Probleme geradestehen muss.
Bei all dem Chaos ist es ja fast nur eine Randnotiz, dass die neue Wirtschaftssenatorin – während die ganze Republik über den Anruf und die versuchte Einflussnahme des Bundespräsidenten bei der BILD-Zeitung diskutiert – dass die neue Wirtschaftssenatorin die Berliner Zeitungen anwies, bitte von ihr nur ein ihr genehmes Foto abzudrucken.
Diese Koalition ist kein Modell für den Bund für 2013, diese Koalition ist schon zu Beginn ein Auslaufmodell.
„Senat nur mit Bypässen“ kommentierte eine Berliner Tageszeitung. Nach diesen letzten Wochen zweifeln nicht nur wir daran, wie lange die Bypässe wohl noch halten.
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Herr Regierender Bürgermeister,
Einiges, was Sie heute vorgetragen haben, teilen auch WIR. Wenn Sie betonen, dass Berlin eine internationale, weltoffene und tolerante Stadt ist und bleiben soll – dieses Ansinnen teilt, so hoffe ich, das gesamte Haus.
Ich möchte an unsere gemeinsame Erklärung „Rechtsextremistische Morde und Gewalttaten verurteilen“ vom 24. November erinnern. Die Morde und Anschläge der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ haben uns alle erschüttert, die neuen Erkenntnisse der letzten Wochen erfüllen uns mit großer Sorge. Gerade bei Migrantinnen und Migranten herrscht eine große Unsicherheit, sie fühlen sich nicht ausreichend geschützt.
Sie müssen in der Frage Bekämpfung des Rechtsextremismus den Koalitionsvertrag nacharbeiten, die drei dürren Zeilen werden nicht ausreichen. Jetzt sind Sie, Herr Wowereit, aber insbesondere auch Herr Innensenator Henkel, in der Pflicht, verlorenes Vertrauen der Migrantinnen und Migranten zurückzugewinnen.
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Man mag sich über die richtige Balance von Visionen und Pragmatismus streiten. Aber ohne eine Idee, ohne ein Leitbild kann man eine Metropole wie Berlin nicht regieren, ohne Potenziale einzubüßen oder auf Mittelmaß zurechtzustutzen. „Von Aufbruchstimmung ist nichts zu spüren“ konnten wir am Montag im Tagesspiegel lesen. Daran hat sich heute nichts geändert. Während Sie in Ihrer ersten Regierungserklärung noch den Mentalitätswechsel und in der zweiten die innere Einheit der Stadt beschwörten – fehlt jetzt die Idee, der Anspruch dieser Regierung.
Die beiden Regierungspartner haben ihre Reviere abgesteckt, die Machtverhältnisse geklärt, inhaltliche Leidenschaften gab es nicht und so liest sich dieses Programm.
Man muss ja auch gar nicht nach Baden-Württemberg zu Winfried Kretschmann schauen. Geographisch näher liegt Hamburg, dort regiert Ihr Parteifreund Olaf Scholz und er formulierte in seiner Regierungserklärung:
„Heute sind es wieder die Städte, in denen sich entscheidet, wie die Welt des 21. Jahrhunderts aussieht. Sie sind Motoren der Veränderung, Inkubatoren des Neuen, stets im Werden. (…) Städte, insbesondere große Städte, beinhalten immer auch das Versprechen für eine bessere Zukunft.“
Herr Wowereit,
Wo sind Ihre Ideen, wo ist Ihr Mut zur Veränderung, wo ist Ihr Blick auf das Neue, was ist Ihr Versprechen auf eine bessere Zukunft – nach über 10 Jahren Regierender Bürgermeister dieser Stadt?
Unabhängig von dem ein oder anderen Baustein Ihrer Rede; nachdem ich mir Ihre Erklärung angehört habe, nachdem ich Ihren Koalitionsvertrag und die von Ihnen stammenden Richtlinien gelesen habe – sage ich Ihnen: Ein Senat kann sich nicht darauf beschränken, das abzuarbeiten, was zwei Parteien miteinander vereinbart haben, was man aufgeschrieben hat. Ein Senat muss sich auch den Notwendigkeiten und Herausforderungen stellen, die real existieren und denjenigen, die auf ihn einstürzen.
Wie verhält sich dieser Senat in der Wirtschafts- und Finanzkrise?
Wie geht Berlin als Metropole mit seiner ökologischen Verantwortung um? Wann kommt endlich ein Berliner Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz?
Wie wollen Sie der sozialen Spaltung entgegenarbeiten und dafür sorgen, dass Berlin eine Stadt für alle wird? Eine Stadt, in der Menschen ihren Platz finden und ihre Potenziale entfalten können? Wie sorgen Sie dafür, dass Mieten bezahlbar bleiben und die Berliner Mischung weiter lebt?
Welche Perspektiven bietet Berlin den jungen Menschen, die hier aufwachsen, oder hierhin kommen?
Mit welchen Ideen schafft es Berlin, wirtschaftlich voranzukommen und neue Arbeitsplätze in die Stadt zu holen?
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Denn die schlechte Nachricht bleibt, dass auch Rot-Schwarz nach wie vor Spitzenreiter bei der Erwerbslosigkeit ist. Die Berliner Wirtschaft wird sich weiter entwickeln, keine Frage. Allerdings fürchten wir, wird die Berliner Wirtschaft hinter ihren Möglichkeiten und Potenzialen bleiben, wenn die Politik nicht mitzieht. Es fehlen die Impulse. Initiativen sind kaum erkennbar, geschweige denn konkrete Projekte.
Wie verhält es sich denn mit der Entwicklung von Tegel? Statt die Chance aller Chancen am Schopf zu packen – wird sie wieder nur erwähnt. „Die Entwicklung zentraler Flächen der Stadt, z.B. der Tempelhofer Freiheit oder des Geländes des Flughafen Tegels zu wirtschaftlich und städtebaulich nachhaltigen Standorten stellt eine große Chance dar, die Berlin wahrnehmen wird.“ Als beschwöre man die guten Geister. Aber Regieren heißt nicht nur Hoffen und Beschwören, sondern Verantwortung übernehmen und Handeln.
Doch leider ist es das Strickmuster dieser Regierungserklärung – kleine Maschen, große Löcher.
Einzig Konkretes ist die Einführung der sog. Brötchentaste. Und sonst? Wo sind die verbindlichen Schritte zur Green Economy, die in Deutschland die meisten Arbeitsplätze schafft? Fehlanzeige. Selbst die Manager wissen: Grüne Technologie ist DIE Chance, um auf den Weltmärkten die Nase vorn zu haben. Berlin könnte sich daran kräftig beteiligen und die Zahl von 42.000 Arbeitsplätzen verdoppeln. Hier müssen Sie nacharbeiten!
Elektromobilität haben Sie ganz oben auf die Liste geschrieben. Auch wir sehen die Chancen neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Weichen für eine moderne und klimafreundliche städtische Mobilität zu stellen. Das Zusammenbringen eines guten ÖPNV kombiniert mit Carsharing, Elektroautos, Elektroräder und und und – bietet „Mobilität für alle“.
Die größten wirtschaftlichen Chancen hat der, der solche Gesamtlösungen entwickelt, produziert, präsentiert und in alle Welt exportiert. Natürlich ist Berlin der Ort, wo das am besten gezeigt werden kann. Jetzt drängt der Bewerbungsschluss für das nationale Schaufenster Elektromobilität am 15. Januar und so richtig kennt niemand das Berliner Konzept. Baden-Württemberg unterstützt die eigene Bewerbung mit einer Landesinitiative, die Modellprojekte, Forschung, die Beschaffung von Elektrofahrzeugen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur unterstützt. Meine Frage lautet: Was tut Berlin?
Es werden nur 3-5 der erwarteten ca. 15 Anträge von der Bundesregierung bewilligt werden. Sich darauf zu verlassen, dass Berlin qua Größe sowieso ausgewählt wird, wäre grob fahrlässig. Und so können wir nur hoffen, dass dank der Partner aus der Wirtschaft und den Verbänden diese Bewerbung von mehr Engagement geprägt ist als diese Regierungserklärung.
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Vielleicht muss man das auch alles aus Ihrer Sicht nicht machen. Keine modernen Technologien, keine Elektromobilität – wenn man Sie so hört, könnte man denken, dass Sie ernsthaft meinen, es würde reichen einen Flughafen zu eröffnen und drei Kilometer Autobahn zu bauen und damit sei die Wirtschaftspolitik erledigt.
Wie Sie den Flughafen in Schönefeld allerdings politisch durchsetzen, ist beschämend. Es lässt einen nur den Kopf schütteln, dass Anfang dieser Woche das Umweltbundesamt auf Druck des Verkehrsministeriums die Vorstellung seines Gutachtens zu den Lärmschutzmaßnahmen abgesagt hat. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, ist das nicht nur ein handfester Skandal, sondern die Fortsetzung von Intransparenz, Geheimhaltungstaktik und Unehrlichkeit rund um die Flugrouten des Flughafens, an der auch Sie als Landesregierung beteiligt sind.
Während Sie, Herr Wowereit, schon fröhlich die Eröffnungsparty des Flughafens planen, verkennen Sie, dass Sie mit einem solchen Politikstil nicht nur für Politikverdrossenheit sorgen, sondern auch die Akzeptanz des Flughafens beschädigen. Das ist Politik von gestern, meine Damen und Herren!
Selbstverständlich muss der Flughafen wirtschaftlich arbeiten und die ökonomische Entwicklung der Stadt unterstützen;
Aber für Sie als Koalition muss doch gelten, dass der Lärmschutz für Menschen Vorrang vor der Gewinnmaximierung haben muss. Dafür müssen Sie sich einsetzen!
Herr Wowereit, Sie sind bekanntermaßen ja nicht nur Regierender Bürgermeister, sondern auch Aufsichtsratvorsitzender der Flughafengesellschaft. Ende dieses Monats sollen die Flugrouten des BBI festgelegt werden.
Wie haben Sie sich denn dafür eingesetzt, dass die Flugrouten so optimiert werden, dass der größtmögliche Gesundheitsschutz für die Menschen in der Region dabei herauskommt? Sie haben das höchstselbst noch im September vor der Abgeordnetenhauswahl gefordert.
Das schulden Sie den Menschen vor Ort, sie zu informieren und einzubeziehen!
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Was soll das für eine Wirtschaftspolitik sein, wenn zwar der Weiterbau der A 100 vorangetrieben wird, aber gleichzeitig die Substanz der Berliner Straßen gefährdet ist. Der Instandhaltungsrückstau beträgt selbst nach Senatszahlen 290 Mio. Euro und die Verkehrssicherheit ist schon an einigen Stellen gefährdet. Das ist kurzsichtige Politik!
Heute schon ist die A100 die am stärksten befahrene deutsche Autobahn. Wie es aus der Verkehrszählung der Bundesanstalt für Straßenwesen vor einigen Tagen ersichtlich wurde. Wie soll denn hier eine weitere Zunahme des Verkehrs um 30.000 Fahrzeugen verkraftet werden, die durch den Weiterbau erfolgen wird? Seit der Eröffnung der A 113 nach Schönefeld, ist auf dem Südteil der A 100 der Verkehr stark gestiegen – nahe der Buschkrugallee um 24 Prozent. Wird die A100 nach dem weiteren Ausbau ein einziger Dauerstau? Na dann, gute Fahrt!
Ganz gleich ob diese Autobahn kommt, oder nicht, so einfach kann man es sich nicht machen.
Die Frage, welche Infrastruktur und welche Investitionen in Infrastruktur eine Metropole braucht, um wirtschaftlich voranzukommen, können Sie nicht ernsthaft mit drei Kilometer Autobahn beantworten und sich dann zurücklehnen.
Sind es nicht vielmehr Investitionen in die Energiewende, in die energetische Sanierung der Gebäude, die wir brauchen – um neue Technologien zu entwickeln, Arbeitsplätze zu schaffen, ökologisch vernünftig und finanziell solide zu wirtschaften?
Sind es nicht vielmehr Investitionen in Wissenschaft und Forschung, die Vorrang haben sollten? Und wieder wird auch von dieser Koalition bei der Charité zurückgerudert, was die Investitionen angeht, ein Zusammenschluss mit dem MDC ist doch nicht das Allheilmittel! Auch Berlin muss für seinen Leuchtturm Charité etwas tun!
Sind es nicht vielmehr Investitionen in neue Mobilitätkonzepte? Ein guter ÖPNV vernetzt mit Elektromobilität, Carsharing und und und. Auch das braucht Infrastruktur, auch das braucht neue Technologien und neue Systeme.
Sind es nicht auch Investitionen in moderne Energienetze? Investitionen in Datenautobahnen?
Doch statt an smarte Netze und virtuelle Kraftwerke, denken Sie bei Infrastruktur immer noch nur an den Betonmischer.
So sehen sie die Dinge.
Die Wirtschaft ist für die Innovationen und die Politik für den Beton zuständig. Da sind sogar die Vorstandsetagen von Energie- und Automobilkonzernen weiter als Sie!
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Da passt es nur ins Bild, dass die Energiewende für diesen Regierenden Bürgermeister kein Thema ist. Durch Sie sind wir im Bundesländervergleich Erneuerbare Energien auf den letzten Platz gerutscht und Sie haben nicht aufgezeigt, wie sie das ändern wollen.
Die Energiewende in Berlin einzuleiten, würde die regionale Wertschöpfung erhöhen, denn Energieeffizienz-Anlagen und Wärmedämmung werden von regionalen Handwerksbetrieben angebracht und ersetzen Rohstoffimporte.
Die Energiewende in Berlin einzuleiten, würde uns unabhängiger machen vom Öl und von steigenden Energiepreisen. Das ist gerade für einkommensschwache Menschen besonders wichtig, die ansonsten einen immer höheren Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden müssen.
Rot-Schwarz behandelt den Klimaschutz als ein weiches Thema, zu dem man ein paar warme Worte findet und vielleicht ein Gesetz machen kann, solange es wirkungslos bleibt.
Wieder wird es Aufgabe der Stadtgesellschaft sein, dem Senat auf die Sprünge zu helfen. Längst gibt es da Bündnisse für ein wirkungsvolles Klimaschutzgesetz und einen Energietisch, der ein Volksbegehren vorbereitet.
Die ökologische Herausforderung des Klimawandels, die soziale Herausforderung steigender Energiepreise und die wirtschaftspolitische Herausforderung, neue Industrie nach Berlin zu holen – diese Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam lösen.
Herr Wowereit, Sie haben kaum ein Wort darüber verloren, wie Sie mit diesen großen Herausforderungen umgehen wollen. Da stellt sich die Frage: kann Regieren ohne jede Zukunftsperspektive wirklich gutes Regieren sein? Den Beweis sind Sie heute schuldig geblieben.
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Wenn Sie schon nicht so viel von Zukunftsideen halten. Dann zeigen Sie doch wenigstens in ganz alltagsnahen Bereichen, dass Sie regieren können.
Seit Jahren müssen die Berlinerinnen und Berliner damit leben, dass die S-Bahn unpünktlich ist, Züge ausfallen, ganze Stadtteile nicht bedient werden usw. Es gibt schon Postkarten mit dem Spruch „Welches sind die vier Feinde der S-Bahn? Winter, Frühjahr, Herbst und Winter.“ Ob man diese Karten als „Be Berlin“-Marketing in die Welt verschicken sollte? Wohl kaum!
Letztens wieder ein Totalausfall, die S-Bahn liegt für Stunden lahm. Und Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, fiel nichts anderes ein, als schulterzuckend zu sagen „Sowas kann doch vorkommen.“ Da war er wieder, der Glatteis-Klaus, dem es egal zu sein scheint, dass die Berlinerinnen und Berliner morgens wegen der S-Bahn-Ausfälle nicht zur Arbeit kommen. Von wegen Berlin verstehen.
Im Wahlkampf noch voll in Fahrt wie ein Duracell-Männchen. Jetzt wieder im altbekannten Energiesparmodus, der aber kein Beitrag zum Klimaschutz ist!
Welche Lösung haben Sie für das anhaltende S-Bahn-Chaos? Wenn ich aus den heute vorliegenden Richtlinien zitieren darf: „Bei der Entscheidung über den Betrieb für die Zeit ab 2017 sind die Rechtssicherheit des Verfahrens, die Interessen von Fahrgästen und Beschäftigten, die Kosten für Berlin und die Rechte Berlins gegenüber dem Betreiber ausgewogen zu berücksichtigen.“
Es hat etwas gedauert, um dieses lange Nichts zu zitieren. Was Sie zur Lösung der S-Bahn-Misere vorhaben, wissen Sie wohl selber nicht.
Die SPD hat ein Problem, weil ihr Parteitag den Kauf der S-Bahn will. Dummerweise will die Bahn aber gar nicht verkaufen, und Berlin könnte im Zweifel mit der teuren Neuerwerbung gar nichts anfangen.
Die CDU hat ein Problem, weil sie die Bahn einfach weitermachen lassen will. Dummerweise ist aber der Weg der Direktvergabe kürzlich vom Bundesgerichtshof dichtgemacht worden.
Und die Zeit läuft davon, um 2017 auch nur einen annähernd vernünftigen Betrieb mit neuen Zügen hinzubekommen, hätte Berlin schon längst loslegen müssen.
Kommen Sie aus ihren ideologischen Gräben heraus, schenken Sie den Leuten reinen Wein ein und legen endlich Ihre Pläne auf den Tisch!
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Nachdem die SPD jahrelang die größte soziale Frage in dieser Stadt verschlafen hat, kommen Sie jetzt auch nur langsam in die Gänge, um den Wohnungsmarkt zu entlasten und die rapide steigenden Mieten noch eindämmen zu können.
Für Sie ist Neubau DAS entscheidende Instrument, um den Mietanstieg zu bremsen und bezahlbaren Wohnraum für einkommensarme Haushalte zu schaffen. Soweit sind Sie sich als Koalition noch einig.
Das Problem ist jedoch, dass Mietpreise von neu gebautem Wohnraum – erst recht in der Innenstadt – deutlich über dem Mietniveau liegen, das finanziell Schwächere bezahlen können. Und hier fangen Ihre Probleme als Koalition an.
Die CDU setzt auf private Investoren und auf eine wie immer geartete Förderung. Nein, ich will das böse W-Wort, Wohnungsbauförderung und noch schlimmer Anschlussförderung nicht wirklich in den Mund nehmen. So etwas sollte uns aus Erfahrung bitte erspart bleiben.
Die SPD dagegen will den Wohnungsbestand bei den Wohnungsbaugesellschaften erhöhen. Herr Müller, ich habe mit großem Interesse Ihr Interview kürzlich gelesen. Der Taschenspielertrick, dass Sie schlicht die 20.000 Wohnungen der BIH, die uns ja gehört, in die Wohnungsbaugesellschaften überführen – diesen Taschenspielertrick werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen!
Was bleibt übrig? Ankündigungspolitik und sonst wenig. Es sollen zwar Wohnungen gebaut werden – aber von wem sie gebaut werden, wie sie gebaut werden und wo sie gebaut werden – das steht in den Sternen. Etwas konkreter hätten wir es schon gerne!
Wo Sie direkt handeln könnten, tun Sie nichts – um den Druck vom angespannten Wohnungsmarkt zu nehmen. Alle konkreten Instrumente, die Sie zur Anwendung bringen könnten, sollen noch geprüft werden. Das heißt zum Beispiel, dass ein Verbot der Zweckentfremdung lange auf sich warten lassen wird. In der Zwischenzeit wird der Wohnraum immer knapper, weil Wohnungen zu Ferienwohnungen umgewandelt werden. Eine neue Liegenschaftspolitik oder ernstzunehmende Vorstöße auf Bundesebene werden ebenfalls auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Wie lange wollen Sie sich eigentlich noch Zeit lassen? Merken Sie nicht, dass die Mietentwicklung davongaloppiert?
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Sie wollten den Schulfrieden in der Stadt und haben wochenlang niemanden gefunden, der hier Frieden stiften wollte.
Wir brauchen bessere Bildung und die Schulen ächzen unter den Reformen der letzten Jahre. Wo bleibt die Unterstützung für die Schulen?
Ihre Regierungserklärung enthält viele Allgemeinplätze und Selbstverständlichkeiten und bleibt bei den wirklichen Problemen, z.B. Lehrermangel oder Inklusion, eine Antwort schuldig. Soll Inklusion nur eine Worthülse bleiben, oder wird das Thema von Ihnen ernsthaft angegangen?
Wir erleben keine neuen Akzente in der Bildungspolitik, sondern die Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners getarnt als Schulfrieden.
Seit geraumer Zeit weiß es auch der Senat, dass in Berlin Kita-Plätze fehlen. Es fehlen bis 2015 fast 23.000 Kitaplätze in Berlin, davon allein bis 2013 mehr als 15.000. Gleichzeitig verspricht die Koalitionsvereinbarung den Eltern in Berlin das Kita-Paradies:
„Jedes Kind in Berlin soll vom ersten Lebensjahr an die Möglichkeit haben, eine Kindertagesstätte zu besuchen.“ Dazu Beitragsfreiheit, Abschaffung der Bedarfsprüfung, ausreichendes und gut ausgebildetes Personal, flexible Betreuungszeiten, hohe Qualität, usw..
Davon sind wir weit entfernt! Auf die Unterlegung der vollmundigen Versprechen im Haushalt und in der Investitionsplanung darf man gespannt sein.
Anstatt sich in Wolkenkuckucksheim fern jeder Realität zu räkeln, sollte Rot-Schwarz endlich die Ärmel hoch krempeln und an die Arbeit gehen!
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So auch in der Innenpolitik. Außer markigen Sprüchen, die an Frank Henkel als innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion erinnern, haben Sie wenig hinbekommen. Wir erleben seit Wochen eine Hängepartei bei der Neubesetzung des Polizeipräsidenten. Sie haben damit ein schweres Erbe von Ehrhart Körting angetreten. Nach dem Scheitern des Verfahrens um Udo Hansen wollten Sie schnell die Hängepartie beenden. Und haben mit dem Vorschlag, den nächsten Polizeipräsidenten zu ernennen, nur einen Schnellschuss produziert. Damit beschädigen Sie dieses Amt noch zusätzlich, ein Polizeipräsident ist doch kein Polizeipräsident der vom Innensenator abhängig ist.
Berlin braucht eine unabhängige Person, die die Erfahrung und Kompetenz hat, Deutschlands größte Polizeibehörde zu leiten. Nicht bloß ein weiterer Staatssekretär, der nach Parteiproporz ernannt wird.
Sie schreiben sich 250 neue Polizisten als Erfolg auf die Fahnen, dabei wurden doch bereits 200 davon schon von Rot-Rot beschlossen. Bleiben nur noch 50 für als Erfolg für Sie, Herr Henkel.
Was die aber alles machen sollen! Von mehr Sicherheit im ÖPNV, über Kontaktbereichsbeamte in den Kiezen, bis zur Stärkung der Einsatzhundertschaften. Sie müssen schon konkret werden, Herr Henkel – markige Sprüche und Ankündigungen reichen nicht mehr aus!
Genauso verhält es sich mit der Ankündigung, den Polizeigewahrsam auf bis zu vier Tage auszuweiten. Angeblich seien so potenzielle Gewalttäter besser von Versammlungen wie dem 1. Mai abzuhalten. Dabei sagt der Senat selber, dass ihm keine tatsächlichen Erkenntnisse vorliegen, weshalb vorbeugende Freiheitsentziehungen länger möglich sein sollen.
Zudem gibt es in Berlin keinen einzigen bekannten Fall, in dem eine Person eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, weil sie einen Tag zu früh aus dem Gewahrsam entlassen wurde. Aus unserer Sicht sollte daher der Gewahrsam letztes Mittel der Gefahrenabwehr sein.
Die einzige Begründung des Senats für diesen erheblichen Grundrechtseingriff ist, dass Berlin bundesweit die strengsten Regeln habe. Das ist ziemlich mager und nichts als Symbolpolitik!
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Vor einem der größten Probleme werden Sie sich nicht wegducken können. Wir stehen vor einem gewaltigen Schuldenberg von 63 Milliarden Euro. Doch das ist nicht alles. Dazu kommen noch verdeckte und verschobene Schulden, wie die Pensionsverpflichtungen des Landes, die Schulden der Landesunternehmen, aber auch die Sanierungsrückstände an energiefressenden landeseigenen Gebäuden und die Belastungen aus der BIH. Dem Nachlass der Großen Koalition, die Schrottimmobilien der Bankgesellschaft.
Wie wollen Sie ihr eigenes Ziel, 2016 ohne neuen Schulden auszukommen, erreichen? Sollen dafür die seit zehn Jahren stagnierenden Gehälter der Berliner Beamten und der Beschäftigten bei den Freien Trägern weitere fünf Jahre eingefroren werden? Dass das nicht geht, liegt doch auf der Hand.
Stattdessen wimmelt es bei Ihnen vor lauter Großprojekten, wie die Klaus-Wowereit-Gedenkbibliothek, die nicht ausfinanziert sind. Dafür werden dreistellige Millionenbeträge lockergemacht, während die bezirklichen Bibliotheken seit Jahren ausbluten.
Sie setzen sich das ehrgeizige Ziel, bereits 2016 ohne neue Schulden auszukommen. Ich sage Ihnen, wie es enden wird. Vor der nächsten Wahl werden Sie sagen: Wir hätten es geschafft, aber leider hat der Bund die Rahmenbedingungen so verschlechtert, dass leider alles vergebens war.
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Für meine Fraktion möchte ich zum Schluss festhalten. Opposition beschränkt sich für uns nicht im einfachen Neinsagen. Wir sind bereit, konstruktiv mitzumachen mit unseren Initiativen und Anträgen. Wir nehmen aber auch unsere Verantwortung an, andere Wege und Konzepte aufzuzeigen.
Ich fürchte aber und es deutet sich schon an, dass wir wieder in die alten Reflexe von Regierung hier und Opposition dort verfallen. Wo alles, was von der Opposition kommt allein schon deswegen schon per se abzulehnen ist und man sich damit gar nicht auseinandersetzt, ob vielleicht doch ein vernünftiger Gedanke dabei ist.
Das hat sich bereits gezeigt in der Ablehnung, den Sonderausschuss Wasserverträge vernünftig auszustatten. Lieber Herr Graf, wo bleibt bei der CDU die Erfahrung und die Lehren aus den letzten Jahren in der Opposition? Haben Sie nicht jahrelang mit uns gemeinsam für mehr parlamentarische Rechte in Sonder- und Untersuchungsausschüssen gekämpft?
Wenn Sie sich ernsthaft den Herausforderungen stellen und nicht nur lustlos vor sich hin regieren, dann werden Sie sich sicher sein können, dass wir als eine konstruktive Opposition mitgestalten werden.
Wir werden aber auch nicht müde werden, wenn es bei diesen Unklarheiten und Unverbindlichkeiten bleibt, klare Konzepte anzumahnen und auch vorzulegen, damit es in der Stadt auch Alternativen zu dieser Beliebigkeit gibt.
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