Rede zur Finanzkrise „Berlin kann nicht so weitermachen wie bisher!

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

Man bekommt den Eindruck, mit dieser Aktuellen Stunde „Europäische Finanzkrise – wer zahlt die Zeche? Keine Finanzierung zu Lasten der Länder und Kommunen“ wollen Sie nur von dem Chaos in der eigenen Koalition ablenken. Und sich beim Wettern gegen Hedge-Fonds und Spekulanten im roten Wohlfühldeckchen einkuscheln. Doch so einfach ist das nicht, Herr Wowereit! Sie müssen sich heute erklären: Wie sieht der Berliner Beitrag zur Lösung der Finanz- und Schuldenkrise aus? Daran werden Sie gemessen!

Die Finanzkrise hat Europa erreicht und sie hat den Euro erreicht. Panikmache ist aber fehl am Platz. Fragen wir uns doch mal, wer von der Panik profitiert? Einzig und allein die Spekulanten, die Untergangsszenarien malen à la „gestern Griechenland, morgen Portugal und übermorgen ist der Euro nichts mehr wert“. Sie allein verdienen an der ausbrechenden Unruhe. Sie verdienen kräftig daran, weil sie auf den Absturz des Euro wetten und damit immense Summen einfahren wollen. Jetzt muss man Ruhe bewahren.

Der Krisenfonds zur Stützung des Euro ist ein wichtiges Signal der Politik gegen die Finanzspekulation. Es ist richtig, dass die EU Zusammenhalt signalisiert. Sie zeigt den Willen, die Einheit Europas nicht kaputt spekulieren zu lassen. Bislang haben es die Regierungschefs aber versäumt, eine klare Finanzmarktregulierung auf den Weg zu bringen. Seit Jahren werden viele Vorschläge diskutiert, keiner davon hat es bis heute zum Gesetz gebracht. Wo bleibt denn hier Ihr bundespolitischer Einsatz, Herr Wowereit?
Und wenn die Kanzlerin jetzt vage eine Finanzmarktsteuer in Aussicht stellt, ist das nur ein Placebo. Was will die Kanzlerin denn genau? Eine Transaktionssteuer, die Umsätze besteuert und damit Spekulationen beschränkt? Oder will Merkel bloß die Finanzaktivitätssteuer, die nur Gewinne abschöpft und eben keine „Spekulationsbremse“ ist – man weiß es nicht. Das ist nichts als weiße Salbe!

Wir brauchen eine Beschränkung, wenn nicht gar ein Verbot hochkomplexer Finanzprodukte, wie der CDOs. Unsere BVG, bzw. Herr Sarrazin hat sich zum Schaden der Stadt ein CDO-Paket noch im April 2007 andrehen lassen. Zu dem Zeitpunkt war der CDO-Markt bereits am Abstürzen. Zitat Mail Goldman Sachs aus Anhörung US-Senat vom 11. Februar 2007: „Das CDO-Geschäft ist tot, wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Dazu kann man nur sagen: zu jedem Spekulanten gehört auch ein Dummer, der das Zeug kauft! Belohnt wurde diese Dummheit von Herrn Sarrazin mit einer Beförderung zum Bundesbänker und oberstem Währungshüter – man kann sich nur fragen, warum eigentlich?

Wir müssen die Macht der Rating-Agenturen begrenzen, indem wir ihnen eine europäische, öffentlich-rechtliche Rating-Agentur entgegensetzen. Zu häufig haben Rating-Agenturen als Brandbeschleuniger agiert, diese Macht muss man brechen!

Es ist deswegen das Gebot der Stunde, gemeinsam europäisch der Krise zu begegnen. Wir Deutsche profitieren doch immens vom europäischen Binnenmarkt. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Europäische Union elementares Interesse Deutschlands ist. Warum? Weil wir all unsere politischen Ziele nur erreichen können, wenn wir sie gemeinsam mit der Europäischen Union verfolgen. Für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung brauchen wir die EU, das schafft Deutschland nicht allein. Wir brauchen die EU für die Regulierung der Finanzmärkte. Deswegen müssen wir gerade in dieser Krise Ja zu Europa sagen. Und: Wir lassen uns den Euro nicht kaputt zocken.

Gerade am Beispiel Griechenlands zeigt sich die Bigotterie der Debatte, die unter der Überschrift „deutsche Interessen zuerst“ und „ich will meine D-Mark zurück“ läuft. Wer hat denn jahrelang von einer verantwortungslosen Überschuldungspolitik Griechenlands bestens gelebt? Deutsche Firmen haben ihre Güter auf Pump nach Griechenland verkauft. Damit sind bei vielen deutschen Unternehmen Arbeitsplätze geschaffen und gesichert worden. Und mit welchem Geld kaufen die Griechen die Waren „made in Germany“? Die Antwort darauf lautet: Mit Krediten, die von deutschen Banken finanziert werden!
Deswegen müssen wir diesem gefährlichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht innerhalb Europas mit einer koordinierten Wirtschaftspolitik antworten. Und wir müssen uns der Frage der Staatsverschuldung stellen. Denn die Krise, die wir erleben, ist im Kern eine Verschuldungskrise. Auch wenn manche so tun, als ob die bösen Spekulanten uns kaputt spekulieren wollen. Doch die Wahrheit, dahinter ist eine andere: Spekulationen wurden erst möglich, weil die Euro-Staaten selber kräftig Schulden gemacht haben. Das hat sie anfällig gemacht für Wetten auf ihre Zahlungsfähigkeit!

Die Gretchenfrage lautet jetzt: Wie gehen wir zukünftig mit Staatsverschuldung um? Deutschland ist der Stabilitätsanker in der EU, das dürfte unbestritten sein. Aktuell haben wir ein Defizitverfahren am Hals, dank der irrationalen Steuerpolitik von schwarz-gelb. Doch die Frage der Haushaltskonsolidierung steht wieder auf der Agenda. Nein, das ist nicht schön. Gegenüber dem, was die Menschen in Griechenland oder auch in Spanien an Sparprogrammen und Steuererhöhungen durchmachen müssen – ist unser Konsolidierungsbedarf zwar hart, aber machbar.

Jedem muss klar sein, dass utopische Steuersenkungen, wie die FDP sie immer noch fordert, kein Thema mehr sind.

Aber auch die Ausgabensintflut von Rot-Rot muss eingedämmt werden. Wir haben die „zwei Gesichter von Rot-Rot“, so will ich es nennen, in einem Schaubild festgehalten: Links sieht man die Ausgabenlinie der ersten rot-roten Legislaturperiode. Rechts ist der Anstieg seit 2006 deutlich zu sehen. Wenn man diese Linie weiterdenkt, führt sie geradewegs ins Nirvana. So weit hätte es gar nicht kommen dürfen, nun hat Rot-Rot die Stadt in diese schlimme Lage gebracht.

Und ich frage Sie, Herr Wowereit! Wollen Sie so weitermachen wie bisher? Oder wird Berlin seinen Beitrag leisten zur Lösung der Schuldenkrise? Werden Sie Verantwortung übernehmen für die Stabilität des Berliner Haushalts? Oder werden Sie sich in die Büsche schlagen? Bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen, die sie gleich machen werden.

Meine Fraktion erwartet von Ihnen dass Sie in Ihrer heutigen Erklärung Verantwortung für die Finanzen des Landes Berlin übernehmen. Und Sie nicht nur die Populismuskeule gegen die Bundesregierung, gegen Hedgefonds und schwarz-gelbe Bösewichte in Bund und Ländern schwingen! Natürlich wollen die süddeutschen Ministerpräsidenten den Berlinern die Butter vom Brot nehmen. Aber wir Berliner werden uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen!

Es ist allemal besser, selbst die Notbremse zu ziehen, statt später von Koch und Mappus fremd bestimmt zu werden!

Berlin muss seinen Beitrag leisten, damit Deutschland der Stabilitätsanker in Europa bleibt. Natürlich wird es aber nicht ohne Hilfe für Berlin gehen. Der Linkspartei kann ich nur sagen: Diese Hilfe besteht aber nicht in der Aushebelung der Schuldenbremse. Dann drohen in Berlin auch griechische Verhältnisse. Dafür sind die Grünen nicht zu haben!

Wir sagen, dass der Weg aus der Verschuldung eine gesamtstaatliche Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen sein muss.

Wir müssen die Gewerbesteuer zu einer echten kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickeln. Berlin, die Stadt der Dienstleistungen, würde davon profitieren. Wir haben hier in der Stadt große und hochwertige Dienstleister. Unternehmensberatungen, große Kanzleien usw. KMPG oder Freshfields, sie alle zahlen keinen Cent Gewerbesteuer. Mit einer kommunalen Wirtschaftssteuer wäre das deutlich anders. Und deswegen muss diese kommen!

Länder und Kommunen brauchen einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer. Gerade die Kommunen ächzen unter immer mehr Finanzierungsaufgaben, die der Bund ihnen auferlegt. Dafür braucht es auch mehr Mittel und diese muss der Bund lockermachen.

Der Schaden, den die Finanz- und Wirtschaftskrise angerichtet hat, kann nicht allein den Bürgerinnen und Bürgern aufgebürdet werden. Deswegen muss die Finanzbranche ihren – wohlgemerkt: nennenswerten – Anteil an den Kosten der Krise tragen.

Zudem müssen wir den stärksten Schultern der Gesellschaft auch einen Beitrag abverlangen. Wir schlagen vor, eine Vermögensabgabe auf große private Vermögen zu erheben. Das Grundgesetz sieht eine solche einmalige Vermögensabgabe in Ausnahmefällen vor. Die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ist zweifelsohne ein solcher Ausnahmefall. Diese Vermögensabgabe soll nicht einfach versickern, sondern in einen Entschuldungsfonds fließen.

Den Weg aus der Schuldenkrise wird Berlin nicht allein gehen können. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern. In Berlin stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Senat überhaupt noch in der Lage ist, diese Verantwortung zu übernehmen.

Seit den 20er Jahren ist Berlin wegen seiner klassizistischen Bauten als Spree-Athen bekannt und beliebt.

Herr Wowereit, wenn Sie so weitermachen, wird bald Ihretwegen bei Spree-Athen jeder nur noch an den Schuldensumpf Berlins denken! Soweit werden wir Grüne es nicht kommen lassen!

Link zur Seite des rbb. Hier können Sie sich die Rede anschauen.

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