Rede von Ramona Pop zur Aktuellen Stunde „Länderfinanzausgleich: wichtige Entscheidung für Berlin“ im Plenum am 18.09.2014
Am 11. Dezember treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder, um über den Länderfinanzausgleich zu beraten, neue Regelungen zu finden und diese abzustimmen. Spätestens jetzt müsste jedem und jeder in der Koalition klarwerden, in welch missliche Lage die Hängepartie der Koalition und des Senats unsere Stadt bringt.
Der Regierende Bürgermeister ist längst auf Abschiedstournee. Und da wären noch die drei Musketiere, die um seine Nachfolge streiten. Ob mit Charme, Degen oder Federhut wird man ja noch sehen. Tatsächlich ist es aber so, dass in dieser für Berlin entscheidenden Zeit keiner mehr den Hut aufhat.
Man fragt sich voller Sorge um die finanzielle Zukunft unserer Stadt: Wie werden wir am 11. Dezember in der Runde der Ministerpräsidenten vertreten werden? Wer verhandelt in dieser wichtigen Sitzung für Berlin, wenn doch gleichzeitig hier im Abgeordnetenhaus ein neuer Regierender Bürgermeister gewählt werden soll?
Der rot-schwarze Stillstand kann die Stadt teuer zu stehen kommen.
Es geht wahrlich nicht um Peanuts, es geht um die Neuaufstellung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zum einen und zwischen den Ländern zum anderen. Der Länderfinanzausgleich, der Berlin jährlich knapp viereinhalb Milliarden Euro (5,5 mit Soli Ost) einbringt, wird neu verhandelt. Und etliche andere Finanzverflechtungen (Stichwort Regionalisierungsmittel) noch dazu.
Dass es aber im Berliner Haushalt schon lange nicht mehr rund läuft, haben wir in den letzten Wochen gesehen. Auch wenn Sie gestern im Hauptausschuss den Statusbericht zum Haushaltsjahr 2014 vertagt haben – wie SPD und CDU ja alles von Bedeutung inzwischen vertagen – sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache.
Die vollmundig propagierte Ausgabenlinie des Finanzsenators von 0,3 Prozent ist deutlich überschritten und liegt bei 3,6 Prozent. Schon 2013 stiegen die Ausgaben um 3,4 Prozent. Nur die steigenden Steuereinnahmen verhindern das Abrutschen ins Minus.
Hinzu kommt, dass Sie die Infrastruktur unserer Stadt weiter dramatisch auf Verschleiß fahren. Sie halten Investitionsmittel zurück, um damit andere Löcher im Haushalt zu stopfen. Ausgerechnet die selbsternannte Koalition der Infrastruktur, spart an der städtischen Infrastruktur, dass es im wahrsten Sinne des Wortes kracht. Das ist kein Zustand, das geht an die Substanz unserer Stadt.
Wir sagen deutlich, dass wir endlich einen Vorrang für Investitionen brauchen. Investitionsmittel sind nicht das Sparschwein des Finanzsenators, sondern eine Zukunftsfrage für Berlin!
Meine Damen und Herren von der Koalition, all Ihre finanzpolitischen Leitlinien sind zur Makulatur geworden. Sie müssen sich jetzt endlich ehrlich machen!
Wir erwarten umgehend eine neue Finanzplanung und einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2015.
Nach innen gibt es keine Richtschnur mehr in der Haushaltspolitik und nach außen keinen Vertreter unserer Stadt in diesen wichtigen Monaten, die vor uns liegen.
Für Länder und Kommunen ist es von zentraler Bedeutung rechtzeitig vor 2020 und damit vor dem Inkrafttreten der Schuldenbremse Planungssicherheit über die künftige Finanzarchitektur der Bundesrepublik zu bekommen.
Weil wir auch in der Zukunft gleichwertige Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik anstreben, sind die Grundpfeiler aus unserer Sicht unumstößlich. Diese heißen: ein kooperativer Föderalismus und das bundestaatliche Solidarprinzip – beide stehen für uns nicht zur Disposition. Eine Reform kann nur gelingen, wenn sich kein Land auf Kosten anderer Länder besser stellt.
Nur mit einer langfristig gesicherten Grundlage der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund, den Ländern und damit auch den Kommunen kann die Schuldenbremse eingehalten und gleichzeitig die Herausforderungen einer zukunftsfähigen Infrastruktur, einer qualitätsvollen Kinderbetreuung, wie auch Bildung an Schulen und Hochschulen und die Fragen des demografischen Wandels, bewältigt werden.
Wir erwarten, wie wir es in unserem Antrag auch formuliert haben, dass diese Verhandlungen transparent und unter Einbeziehung der Parlamente geführt werden.
Bislang sind die Verhandlungen eine reine Sache der Exekutive, die Finanzminister bereiten vor und die Ministerpräsidenten verhandeln zu guter Letzt das endgültige Paket. Im Gegensatz zu den Föderalismuskommissionen I und II ist diesmal, wo es um hartes Geld geht, der Haushaltsgesetzgeber – das Parlament – in Bund und in den Ländern nur Zaungast. Das kann nicht sein.
Was dabei rumkommt erleben wir nun. Das Hinterzimmer feiert fröhliche Urständ, wie im Fall des sogenannte Schäuble-Scholz-Papiers, was zur Zeit für jede Menge Aufregung sorgt. Welches Mandat hat dieses Duo jedoch, Maßnahmen aufzuführen? Über die einzelnen Vorschläge des Duos, wie die Entlastung der Kommunen von den KdU-Kosten, kann man ja diskutieren, keine Frage. Aber wo ist der Ort, um diese essentiellen Finanzfragen zu diskutieren? Mehr Transparenz und Einbeziehung braucht es also dringend.
Bund und Länder stehen ohne Frage vor einer Mammutaufgabe. Das ist eine politische Auseinandersetzung von erheblicher Tragweite, die einmal in Jahrzehnten vorkommt.
Nur Berlin steht ohne handlungsfähige Regierung in dieser entscheidenden Phase da.
Wir kennen die Angriffe, die von den anderen kommen. Es wird gegen den Länderfinanzausgleich geklagt und es wird Stimmung gemacht gegen Berlin.
Wir hören sie und sie schmerzen uns, die blöden Berlin-Witze, das Dauerabo in der heute-show inklusive. Der heftige Imageschaden, den uns die Verantwortlichen mit dem BER-Debakel eingebrockt haben ist nachhaltig und Wasser auf den Mühlen der Berlin-Spötter im Bund und in den Ländern.
In dieser Lage haben wir keine ernstzunehmende Regierung, die die Angriffe auf Berlin abwehrt.
Dabei steht wesentliches auf dem Spiel. Zentral für Berlin ist die Stadtstaatenregelung, diese allein bringt uns 3,5 Milliarden Euro jährlich. Jeder Angriff auf diese Regelung schmerzt uns bitter.
Um die Tragweite deutlich zu machen: Wenn wir von den 135 Prozent „Einwohnergewichtung“ auch nur einen Prozentpunkt verlieren, verlieren wir 100 Millionen Euro. Jeder Prozentpunkt Verlust ist ein harter Schlag ins Kontor! Und natürlich sind die anderen scharf darauf und in dieser Sache ist die Zahl der Verbündeten überschaubar, nämlich die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Hier wird man sich warm anziehen müssen.
Einig sind wir uns sicher alle darin, dass man den anderen den Zahn namens Sonderstatus Berlin ziehen muss. Es besteht schlichtweg kein Sachzusammenhang zwischen Hauptstadtfinanzierung und Finanzausgleich. Auch zukünftig muss die Hauptstadtfinanzierung gesondert mittels Hauptstadtfinanzierungsvertrag geregelt werden. Also bitte keine „Washington D.C.“-Debatten mehr!
Es sind alle herzlich eingeladen, sich kundig zu machen, wo in Berlin die Finanzierungsnotwendigkeiten sind. Und da wird man schnell feststellen, dass Berlin schlicht und einfach eine sehr große Kommune ist, nämlich die größte Kommune Deutschlands. Mit allen Problemen und Finanzierungslasten, die zahlreiche nicht auf Rosen gebettete ost- und westdeutsche Kommunen gleichermaßen haben. An einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Sozialkosten der Kommunen (Eingliederungshilfe, Kosten der Unterkunft etc.) führt daher kein Weg vorbei. Das Konnexitätsprinzip, also „wer bestellt, bezahlt“ muss wieder vernünftig zur Geltung kommen.
Berlin hat zahlreiche Verbündete in der Frage der kommunalen Entlastung, diese Bündnisse muss man stärken.
Über alles weitere, wie Fragen von Altschuldenregelungen, Zinshilfen, die Einspeisung des Soli und die stärkere Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft, muss man selbstverständlich ebenfalls reden.
Wir sind überzeugt, dass es die Position Berlins stärkt, wenn das Abgeordnetenhaus trotz politischer Farbunterschiede sich in den oben genannten wesentlichen Punkte für Berlin einig ist. Deswegen freue ich mich, dass unser Antrag mit kleinen Änderungen hier eine Mehrheit gefunden hat. Darauf lässt sich aufbauen, darauf müssen wir aufbauen, um das Beste für Berlin herauszuholen und die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt zu sichern.
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