Ich begrüße Sie im Namen der Fraktion Bündnis/Die Grünen zu unserem Wissenschaftskongress „Talk about revolution“ . In diesem Jahr feiern Berlins Forschungseinrichtungen das „Wissenschaftsjahr 2010“ anlässlich der Geburtstage der fünf großen Jubilare: Staatsbibliothek, Charité, Berlin-Brandeburgische Akademie der Wissenschaften, Humboldt-Universität und Max-Planck-Institut. Zusammen blicken sie auf würdevolle 1250 Jahre wissenschaftlicher Arbeit zurück.
Zu diesem Jubiläumsjahr kündete die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung an, Wissenschaft und Forschung in „der Hauptstadt der Wissenschaften“ stärker in den Blickpunkt zu rücken.
Bildungs- und Wissenschaftssenator Zöllner kündigte Großes an, man kennt ihn ja. Und was bleibt dieser Tage von seinen Ankündigungen für die Zukunft der Wissenschaft in Berlin? Er verzettelt sich im Kleinkrieg um sein Prestigeprojekt Einsteinstiftung. Er legt intransparente Preismodelle für die Hochschulzuschüsse vor und greift in die Autonomie der Hochschulen ein.
Zu häufig wurde in den letzten Jahren verordnet, statt diskutiert – in einem Zukunftsfeld wie der Wissenschaftspolitik mit ihren vielfältigen und engagierten Akteuren, sagen wir, geht dieser Politikstil gar nicht!
Aber nicht nur die Hochschulpolitik des Landes Berlin erweist sich als schwer zu beackerndes Feld. Die Missstände wurden in den letzten Jahren vielerorts von Studierenden benannt und durch Protestmärsche, Hörsaalbesetzungen und Streiks angeklagt: Das gestufte Studiensystem, der Mangel an Diversität, zu wenig Studienplätze, hohe Zugangshürden und die zunehmende Prekarisierung auch in der Wissenschaft wurde Thema.
Zwar war der Zöllnersche „Runde Tisch“ nach den Studierendenprotesten eine gute Idee – doch der Referentenentwurf der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes, der aktuell vorliegt, stößt wiederum auf Kopfschütteln bei denen, die auf echte Verbesserungen und eine neue Grundlage für die Reform der bislang verunglückten Bolognareform hofften. SO funktioniert er nicht, der Wandel zu einem gemeinsamen europäischen Hochschulraum.
Bildungsgerechtigkeit gehört für uns Grüne zu einer strategischen Zukunftsaufgabe der nächsten Legislaturperiode. Wir sind der Meinung, dass eine zukunftsorientierte Politik nur durch das Verzahnen von Haushaltssanierung, Klimaschutz, sozialer Stadtentwicklung und Bildungsgerechtigkeit bewerkstelligt werden kann – und das nicht nur in Berlin.
Unsere Hochschullandschaft befindet sich in einem dramatischen Wandel: Die Europäisierung, die der Bologna-Prozess nach sich zieht, die Exzellenzinitiative der Bundesregierung. Neue Rechtsformen und Steuerungsmodelle stellen das Selbstverständnis der Hochschulen in Frage.
Der im Grundsatz nicht zu beanstandende Anspruch der Gleichheit führt allerdings zu verkrusteten Strukturen und steht damit in starkem Gegensatz zur Vielfalt der heutigen Lebenswelten. Die Nichtstudierbarkeit der Bachelor- und Masterstudiengänge verrät sich sehr schnell in der Lebensrealität eines alleinerziehenden Elternteils oder jobbender Studierender. Dass das so alles nicht zusammenpassen kann, ist uns allen bewusst.
Aber welche Vorstellungen haben wir von der Hochschule von morgen? Welche Strukturen und Regeln braucht diese?
Unser Ziel muss sein, unsere Hochschulen und das Wissenschaftssystem so aufzustellen, dass es seine zentrale Rolle wahrnehmen kann als „Hüter des kulturellen Kerns der Wissensgesellschaft“; wie Prof. Beate Krais auf unserem Werkstattgespräch unlängst formulierte.
Uns geht es heute darum, im Wissenschaftsjahr 2010 nicht nur Jubiläen zu feiern, sondern auch in die Zukunft zu schauen. Sie sind heute alle angereist, um über die erforderliche hochschulpolitische Revolution zu beraten, und keine Sorge, es wird nicht aus alten Streitschriften vorgelesen! Wir wissen, dass der notwendige Transformationsprozess Zeit brauchen wird. Die Mitwirkung vieler und Diskussion.
Wir sind realistisch genug zu wissen, dass das was wir heute und morgen debattieren werden, sich nicht sofort umsetzen lassen wird.
Aber wir wollen einen Anfang machen.
Wir freuen uns, mit vielen Expertinnen und Experten, Interessierten und Betroffenen aus dem gesamten Bundesgebiet für zwei Tage ins Gespräch zu kommen und uns über Ihre Erfahrungen, Prioritäten und Ideen auszutauschen.
Die Ergebnisse werden wir sammeln und in einer Kongressdokumentation zusammenfassen.
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