Am Donnerstag geht die Grünen-Fraktion in Klausur. Ihre Chefin, Ramona Pop, drängt darauf, Flughafenchef Rainer Schwarz zu entlassen. Auch Wowereits Tage seien gezählt. Das Interview führt Stefan Alberti.
taz: Frau Pop, weckt es nicht Erinnerungen an verpasste Chancen, wieder im brandenburgischen Kremmen zu sein? Als sie dort 2010 in Klausur gingen, wurden die Grünen in einer Umfrage erstmals stärkste Partei in Berlin und schienen auf dem Weg ins Rote Rathaus zu sein.
Ramona Pop: Es gibt halt Aufs und Abs in der Politik und überraschende Wendungen …
… das ist jetzt eine schöne Umschreibung für das, was die Grünen mit Renate Künast bei der Abgeordnetenhauswahl erlebten.
Wer hätte denn vor vier, fünf Jahren gedacht, dass wir mal so eine Situation wie bei der Klausur 2010 erleben würden, als wir plötzlich in den Umfragen vorn lagen? Ein Jahr nach der Wahl können wir jedenfalls feststellen, dass die grüne Fraktion als größte Fraktion ihrer Verantwortung als Oppositionsführerin nachkommt. Wir stellen diesen Senat und werden ihn nicht nur mit den Ergebnissen unserer Klausur vorantreiben.
Womit denn sonst?
Nach fast einem Jahr Rot-Schwarz muss man doch sagen: Jetzt ist das Lotterleben des Senats vorbei. Dieser Herbst wird vor allem für Klaus Wowereit politisch brisant, wenn man sich anschaut, welche Brocken da vor ihm liegen.
Benennen Sie diese Brocken doch mal.
Vor allem natürlich der Flughafen, der täglich neue Hiobsbotschaften produziert. Dann aber auch die offenen Fragen von ICC, Risikoabschirmung der Bankgesellschaft, Landesbibliothek – wahrscheinlich wird man das dafür eingeplante Geld in den Flughafen stecken müssen – wie auch die Versäumnisse in der Mietenpolitik.
Bleiben wir mal beim Flughafen. Was macht der Senat falsch?
Die Aufsichtsratssitzung muss Klarheit über den Eröffnungstermin bringen, ein weiteres Hin und Her kann es nicht geben. Man muss aber feststellen, dass Klaus Wowereit seit drei Monaten nicht in der Lage ist, Auskunft darüber zu geben, wie groß die Probleme des Flughafens sind und wie riesig der finanzielle Schaden wird. Es stellt sich die Frage, ob der jetzige Geschäftsführer Rainer Schwarz in der Lage ist, das Projekt noch zu einem Erfolg zu führen. Es sieht nicht danach aus – und Klaus Wowereit muss dann auch eine Entscheidung treffen.
Sie meinen, den Flughafenchef zu entlassen?
Herr Schwarz hat sich im Krisenmanagement nicht bewährt, und es macht nicht den Eindruck, dass er den Flughafenbau noch erfolgreich zu Ende bringen kann.
Wenn der Regierende Bürgermeister selbst in Umfragen abstürzt, das alles zu viel wird und er schließlich hinschmeißt – stehen die Grünen dann bereit, als Koalitionspartner einzuspringen, wenn die CDU keinen SPD-Linken zum Nachfolger wählen will?
Erst mal muss Klaus Wowereit zeigen, dass er seine Aufgaben erfüllt, für die er gewählt wurde. Ob der Flughafen als Bauruine und in finanzieller Schieflage seine Hinterlassenschaft wird, darüber wird aber munter spekuliert.
Sie meinen, er darf jetzt nicht zurücktreten? Aber ein Rücktritt wäre doch politisch von Vorteil für Sie.
Ich sage nur, dass Wowereit erst mal in der Pflicht ist, seine Arbeit zu machen. Ganz offensichtlich ist es aber so, dass seine Tage als Regierender Bürgermeister gezählt sind. Man muss sich nur anschauen, wie beim SPD-Parteitag der von ihm gestützte Vorsitzende Michael Müller abgewählt wurde, wie er dort schon als „lame duck“ gilt – als einer, der nicht mehr viel zu melden hat – und wie schon offen über seine Nachfolge spekuliert wird.
Umso mehr drängt sich die Frage auf: Stehen die Berliner Grünen in der Nach-Wowereit-Ära für Rot-Grün bereit? Er war es ja, der das 2011 verhindert und Rot-Schwarz durchgesetzt hat.
Die SPD hat sich damals nahezu einstimmig anders entschieden, damit muss sie jetzt leben. Diese Spekulationen haben mir zu viele Wenns.
Das mit der Einstimmigkeit heißt doch nicht viel – einstimmig hatten auch die Grünen ihr Wahlprogramm beschlossen und Renate Künast zur Spitzenkandidatin gemacht, was nachher viele nicht mehr wissen wollten.
Ich bleibe dabei: Die SPD-CDU-Koalition ist keine gute Koalition für die Stadt.
Von den 27 Prozent in den Umfragen, die Sie bei Ihrer letzten Klausur in Kremmen hatten, sind Sie dennoch weit weg – 17, 18 Prozent sind es in diesem Sommer. Wie viel sollen es bei der Bundestagswahl nächstes Jahr sein?
Wir haben uns auf einem guten Niveau konsolidiert, wir liegen weit vor den anderen Oppositionsparteien, und wir wollen 2013 mindestens das einfahren, was wir bei der Abgeordnetenhauswahl hatten …
… 17,6 Prozent
… oder auch darüber hinaus. Das ist unser Ziel, und daran werden wir arbeiten.
Die Grünen streiten bundesweit darüber, wer sie in ebendiese Wahl führen soll. Wen wollen Sie vorn sehen?
Ich denke, dass sich bei den Grünen Teamlösungen bewährt haben. Solange es nicht um Fragen der Kanzlerkandidatur oder Ähnliches geht, ist die Frage nach einem Spitzenkandidaten etwas akademisch. Jetzt sollte man gelassen den Weg gehen, der mit der Urwahl eingeschlagen wurde.
Die Frage richtete sich aber nicht auf Modus oder Tradition, sondern auf Ihre persönliche Präferenz – wer soll es machen? Umso mehr, als es ja auch um Renate Künast geht.
Die Entscheidung über die Spitze trifft die Partei, so ist es beschlossen.
Das hindert Sie ja nicht daran, sich für Frau Künast auszusprechen.
Die Breite der Partei muss sich in der Spitze abbilden.
Gilt das auch für Ihre Fraktion? Ab Oktober soll es wieder eine Doppelspitze geben – wie vor den Querelen im Herbst 2011. Wen wünschen Sie sich an Ihrer Seite?
Eine demokratische Wahl ist kein Wünsch-dir-was.
Aber es muss doch in einer Doppelspitze auch menschlich passen.
Es muss vor allem für die Fraktion passen. Die wählt eine Spitze, mit der sich eine große Mehrheit identifizieren kann. Ich wünsche mir eine Fraktion, die mit sich zufrieden ist, die mit ihrer Spitze zufrieden ist. Das macht uns erfolgreich.
Die Breite der Fraktion repräsentieren – heißt das, dass anders als bisher ein Platz für den linken Flügel reserviert ist?
„Breite der Fraktion“ heißt doch, dass jeder im Vorstand eine Mehrheit hinter sich versammeln muss. Das ist nichts Neues, das ist in Demokratien so. Der Vorstand arbeitet als Team sehr gut zusammen, das wünsche ich mir auch für die Zukunft.
Ein Thema bei Ihrer Klausur ist Energie. Da ist nicht ganz klar, wohin die Grünen wollen: Sie unterstützen das Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Stromnetze, wollen sich aber nicht definitiv festlegen, sondern sich drei Optionen offenhalten.
Inhaltlich sagen wir deutlich, dass wir eine Trennung von Netz und Betrieb für günstig erachten und dass der öffentliche Einfluss auf das Netz gestärkt werden soll, um die Energiewende voranzubringen. Ob das Netz dann dem Land Berlin gehört, einer Genossenschaft oder in Teilen einem anderen Anbieter, das ist keine Glaubensfrage.
Warum nicht?
Ich finde, die Rekommunalisierungsdebatte wird sehr verkürzt auf die Frage: in staatlicher Hand oder nicht. Man muss doch immer nach dem Nutzen für die Menschen fragen.
Gilt das auch für die Wasserbetriebe und den Senatsbeschluss, Anteile des privaten Teilhabers RWE zurückzukaufen?
Wir haben die Teilprivatisierung immer scharf kritisiert. Doch der Rückkauf der Anteile kann nicht nur Selbstzweck sein. Das unterscheidet uns von Teilen der SPD. Es mag ja eingängiger sein, entweder Hopp oder Top zu sagen – aber ich glaube, dass wir verpflichtet sind, nach dem Nutzen für die Menschen in unserer Stadt zu fragen. Und beim Wasser kann ich sagen: Der Rückkauf der RWE-Anteile muss mit einer Preissenkung für die Berlinerinnen und Berliner einhergehen.
Hier geht es weiter zu dem Interview auf den Seiten der taz.
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