Filz und Ignoranz – gilt der Mentalitätswechsel nicht für den Senat, Herr Wowereit?

Rede von Ramona Pop auf der 59. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 25.02.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Wir kennen es ja nicht anders von Ihnen, Ihre politische Kultur heißt: Parlament mundtot machen! Sie drücken sich vor der Aufklärung in dieser Sache, das weiß doch jeder! Wenn Ihnen an der Aufklärung gelegen wäre, könnten Sie dem Parlament ja den Zwischenbericht der HOWOGE vorlegen. Aber das ist ja nicht Ihr Stil, Sie beraten lieber alles in Ihrem dunklen SPD-Hinterzimmer. Eis und Glätte sind tatsächlich nicht mehr dramatisch, dennoch will auch ich die Gelegenheit nutzen, Danke zu sagen. Ich danke allen, die auf eigene Initiative hin Schnee geräumt und Eis gehackt haben, danken will ich auch den Tausenden arbeitslosen Menschen, die sich freiwillig zum Winterdienst gemeldet haben und damit Populisten vom Schlag eines Westerwelle Lügen gestraft haben.

Den Mitarbeitern der BSR, die unermüdlich im Einsatz waren für die Stadt, ist ebenfalls zu danken. Es gab viele Initiativen in der Stadt – nur nicht vom Senat. „Berlin ist nicht Haiti“ ist so ziemlich das Dämlichste, was man in diesem Winter aus dem Roten Rathaus hören musste. Das ist Ihre Haltung gegenüber den Hunderten von Berlinerinnen und Berlinern, die ihre Knochenbrüche in Krankenhäusern behandeln lassen mussten, und auch gegenüber dem Personal in den Krankenhäusern, das rund um die Uhr im Einsatz war. Es wurde aber noch getoppt: Nach “Berlin ist nicht Haiti“ kam noch, man könne „Holiday on Ice fahren, bis man auf die Schnauze fliegt“, womit der Regierende Bürgermeister wohl meint: Was stört mich euer Kleinkram.
Herr Wowereit! Ihr Amtseid gilt für die ganze Wahlperiode, Sie haben der Stadt etwas versprochen. Wenn Sie das nicht mehr halten können, dann machen Sie Ernst und sitzen Sie die Restzeit bis 2011 hier nicht noch ab!

Sieht er so aus, der angekündigte Mentalitätswechsel, über die Probleme der Stadt zu spotten und sie nicht ernst zu nehmen? – Wir hätten die Akteure an einen Tisch geholt – die Hauseigentümer, die BVG, die BSR, die Bezirke – und hätten die nötigen Maßnahmen ergriffen. Eine gemeinsame Anstrengung hätte der Stadt gut zu Gesicht gestanden, Herr Regierender Bürgermeister!

Die Bürgerinnen und Bürger wollen nämlich etwas tun für ihre Stadt, sie wollen daran arbeiten, dass die Bildungssituation besser wird, dass die soziale Spaltung nicht zunimmt, dass hier endlich Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen entstehen. Doch sie haben eine Regierung, die sich dafür schlichtweg nicht interessiert.
Herr Wowereit! Sie haben einen Mentalitätswechsel in der Berliner Politik versprochen. Die Stadt hat sich gewandelt, doch der Mentalitätswechsel bei der SPD ist ausgeblieben.

Während wir im Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung der Affäre um das Spreedreieck beschäftigt sind, dreht sich das Rad um fehlende Transparenz, Vetternwirt-schaft und fehlende Kontrolle munter weiter. Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften machen Geschäfte mit SPD-Abgeordneten nach dem Motto: Man kennt sich. Man kann sich jetzt nicht hinter formaljuristischen Verteidigungswellen verschanzen, meine Damen und Herren von der SPD. Für uns ist dieses Fehlverhalten eine Frage von politischem Anstand und politischer Moral, und eine Verquickung von Mandat und eigener Geschäftstätigkeit ist für uns nicht hinnehmbar.

Und man fragt sich schon, ob Herr Hillenberg der Richtige ist, sich im Petitionsausschuss unvoreingenommen um die Probleme von Menschen zu kümmern, die sie vielleicht auch als Mieter von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben. Die SPD-Fraktion muss sich die Frage gefallen lassen, wie lange Herr Hillenberg für sie eigentlich noch tragbar ist.

Von sich reden macht ein weiterer, diesmal ehemaliger SPD-Abgeordneter, der Abgeordnete Harald Ehlert, Geschäftsführer der Treberhilfe. Die Geschichte ist ja bekannt. Da geht die Nummer auch so: Die Aufträge werden mehr, die Gewinne steigen. Man kennt sich eben in der Stadt. Wundern tut man sich auch beim DIW. Da kann man sich fragen: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort lautet: Die seit Jahrzehnten SPD-geführte Wissenschaftsverwaltung schlampt seit Jahren bei den Kontrollen. Mehr als 30 Institutionen sind seit sechs Jahren nicht mehr geprüft worden.

Das ist in einer Vorlage nachzulesen, Herr Gaebler. Das DIW ist eine davon. Immerhin geht es beim DIW um 7 Millionen Euro, die der Rechnungshof beanstandet. Warum gab es dies Kontrolle nicht von der Wissenschaftsverwaltung? Keine Überprüfung, keine Kontrolle seit Jahren. Der Grund überrascht keinen mehr: Man kennt sich eben, heißt es auch hier, wenn man die Vorlage genau liest. Dieses Gebaren geißelte gestern der „Tagesspiegel“, ich darf zitieren: Bei all diesen Geschäften gibt es stets eine Konstante: die Berliner Politik. Ich füge hinzu: Eine Konstante dieser Berliner Politik heißt SPD. Denn Sie regieren seit 21 Jahren in dieser Stadt. Doch diese Stadt gehört nicht der SPD. Sie gehört den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt. Und ich sage Ihnen: Sie brauchen einen Mentalitätswechsel, und die Stadt braucht einen Neuanfang. Wir Grüne werden dafür kämpfen.

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