Berliner Morgenpost, Do. 10.06.2010
Renate Künast könnte bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ernsthaft herausfordern. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag hätte bei einer Direktwahl des Senatschefs Chancen, den Amtsinhaber zu schlagen. Das ist das Ergebnis des Berlintrends der Berliner Morgenpost und der RBB-„Abendschau“.
43 Prozent der Befragten würden sich für den Sozialdemokraten Wowereit entscheiden, wenn sie den Bürgermeister direkt wählen dürften. Künast liegt fast gleichauf. 42 Prozent wären für die frühere Bundesministerin für Verbraucherschutz, deren Karriere einst in der Berliner Landespolitik begonnen hatte.
Für den Berlintrend befragte Infratest Dimap zwischen dem 4. und dem 7. Juni 1001 wahlberechtigte Berliner. Offenbar hat die in den vergangenen Monaten verstärkt geführte Diskussion über eine mögliche Spitzenkandidatur Künasts gewirkt. Im Vergleich zum März, als im Berlintrend erstmals das Duell mit Wowereit abgefragt wurde, konnte die Grüne um vier Prozentpunkte zulegen. Wowereit büßte im Gegensatz zu Künast drei Punkte ein. Der Vorsprung des Amtsinhabers schmolz binnen drei Monaten von acht Prozentpunkten auf einen zusammen.
Der Vergleich mit möglichen Spitzenkandidaten anderer Parteien zeigt, dass sich die Zuspitzung des Duells nicht an der Person Wowereits an sich festmachen lässt. Die Abstände zu Frank Henkel (CDU) oder zur Spitzenkraft der Linken, dem Wirtschaftssenator Harald Wolf, sind unverändert groß.
Auch zeigt die SPD als Partei in der Juni-Umfrage keine besondere Schwäche, im Gegenteil. Die Sozialdemokraten holten um zwei Punkte auf und erreichen jetzt 25 Prozent. Damit teilt sich die Regierungspartei diesmal den Spitzenplatz in Berlin mit der CDU, die stabil ebenfalls auf 25 Prozent kommt.
Knapp dahinter folgen die Grünen mit 23 Prozent. Die Ökopartei konnte noch einmal zwei Prozentpunkte zulegen. Die Linke folgt mit 17 Prozent (minus 2), die FDP verliert abermals einen Punkt und käme derzeit nur auf fünf Prozent.
Wowereits Verluste im Vergleich zu Künast sind umso bemerkenswerter, weil Wowereit in der Beliebtheitsrangliste der Berliner Landespolitiker im Vergleich zum letzten Berlintrend sogar deutlich zugelegt hat. 50 Prozent zeigen sich mit Wowereits Arbeit zufrieden, fünf Prozentpunkte mehr als vor drei Monaten. Offenbar zahlt sich Wowereits neue Strategie aus, wieder mehr in den Bezirken unterwegs zu sein und vermehrt in der Stadt aufzutreten.
Aber Künast kann genau in denselben Bevölkerungsgruppen punkten, in denen auch Wowereit stark abschneidet, nämlich bei den Jungen und bei den Gutgebildeten. So würden 52 Prozent der Bürger, die mindestens Abitur haben, sich für Künast entscheiden, 37 Prozent wären für Wowereit, wenn sie die Wahl hätten. In der Gruppe der Gebildeten holt der Regierende normalerweise höhere Sympathiewerte als im Durchschnitt der Bevölkerung. Unter den Jungen unter 24 Jahren sind 56 Prozent für Künast und 38 Prozent für Wowereit.
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