Ein Interview mit Wirtschaftsreporterin Inga Michler für DIE WELT.
Als Zehnjährige kam Ramona Pop mit ihrer Familie aus Rumänien nach Deutschland. Schnell lernte sie Deutsch und gewöhnte sich das Rollende R ab. Bis heute geht sie ihren eigenen Weg – auch als Berlins Wirtschaftssenatorin.
Ramona Pop war noch schnell im Biomarkt um die Ecke einkaufen. Dann kommt sie zu unserem Treffen in einem Apartment am belebten Berliner Maybachufer. Vor der Haustür preisen türkische Händler ihre Waren an, drei Melonen für zwei Euro.
Pop sitzt für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und ist seit Dezember 2016 Wirtschaftssenatorin im rot-rot-grünen Senat. Wir wollen gemeinsam kochen, allerdings nicht bei ihr zu Hause. Pop schützt ihre Privatsphäre. Deshalb haben wir eine Ferienwohnung angemietet. Und ja, diese ist offiziell beim Bezirksamt als Ferienwohnung angemeldet. Das war der Senatorin wichtig.
WELT AM SONNTAG: Hallo Frau Pop, kommen Sie rein.
Ramona Pop: Oha, alles in Schwarz-Weiß, ganz mondän. Eine hippe Ferienwohnung mitten im Kiez. Vereinzelt ist so etwas ja in Ordnung. Aber wir müssen ein Auge darauf haben, dass das nicht überhandnimmt, sonst verdrängen die Ferienvermieter die Berliner. (Pop inspiziert die Küche und entdeckt Feuerlöscher und Löschdecken im Regal) Na, Sie haben ja kein großes Vertrauen in meine Kochkünste! (lacht)
WELT AM SONNTAG: Was soll es denn geben?
Pop: Shakshuka. Das ist ein israelisch-türkisch-arabisches Gericht mit Paprika, Tomaten, Ei und Feta-Käse.
WELT AM SONNTAG: Och, schade! Ich hatte auf etwas Rumänisches gehofft. Sie sind doch als Zehnjährige mit Mutter und Großeltern aus Rumänien nach Deutschland gekommen.
Pop: Ich esse gern Sarmale, rumänische Kohlrouladen. Aber das dauert zu lange. Da müssten wir den Kohl vorher einlegen. Zu Hause koche ich ohnehin eher multikulti. Das alles aber mit einer großen Liebe zur Paprika – ob als Gemüse oder Gewürz. Die habe ich vom Balkan mitgebracht.
WELT AM SONNTAG: Wie viel Rumänien gibt es sonst noch in Ihrem Leben?
Pop: Leider nicht so viel. Ich spreche die Sprache, aber nicht mehr wirklich gut. Das bedaure ich heute. Als Zehnjährige habe ich darauf bestanden, dass wir zu Hause Deutsch sprechen. Ich wollte so sein wie die anderen Kinder in meiner Klasse, habe mich furchtbar bemüht und auch meine Familie ermahnt, weniger laut zu reden und weniger zu gestikulieren.
WELT AM SONNTAG: „Wir Strebermigranten“ heißt das aktuelle Buch einer polnischen Aussiedlerin, in dem sie die eigene Anpassung bis zur Verleugnung ihrer Wurzeln beschreibt. Sind Sie eine Strebermigrantin?
Pop: Ich habe mir jedenfalls sehr gewünscht, dazuzugehören. Als Spätaussiedlerin konnte ich zwar Deutsch. Aber ich kannte all die kleinen Codes nicht, die bestimmen, was richtig und was falsch ist im Land. Die wollte ich unbedingt lernen. Ich habe mir sogar das rollende R abgewöhnt. Und ich habe meiner Familie verboten, mit Knoblauch zu kochen.
WELT AM SONNTAG: Wieso das denn?
Pop: Die Kinder in der Schule haben mich gehänselt. Sie fanden, der Knoblauch stinke und ich sei eine Streberin. Ausländerin und gut in der Schule, noch dazu in Mathe, das kriegten sie in ihren Köpfen nicht zusammen. Dabei war ich nur neugierig auf die Welt. Mich hat einfach alles interessiert, und mir fiel das Lernen leicht. Ich kam in der 4. Klasse in Münster an und bekam gleich eine Empfehlung fürs Gymnasium.
Auf der Arbeitsplatte hat Pop eine Zwiebel, eine rote Paprika, Paprikapulver, Olivenöl, zwei Dosen Tomaten, Eier und ein Baguette ausgepackt. Dazu noch eine Limette, „zum Hände-Säubern“.
WELT AM SONNTAG: Auch jetzt fehlt der Knoblauch. Mögen Sie den inzwischen nicht mehr?
Pop: Doch, schon. Aber ich habe heute Abend noch eine Verabredung.
WELT AM SONNTAG: Wen bekochen Sie sonst?
Pop: Alle, die ich gern habe. Und auch mich selbst. Wenn ich abends mal früher nach Hause komme, schmeiße ich oft noch meinen Gasherd an. Mit so merkwürdigen Induktionsknöpfen hier (zeigt auf das Kochfeld) komme ich nicht so gut zurecht.
WELT AM SONNTAG: Kann ich helfen?
Pop: Ach nein, lassen Sie nur. Wir haben ja auch nur ein Schneidebrett. Zwiebel und Paprika zerkleinern, das kriege ich schon hin. Ich werkele gern allein, das entspannt mich nach einem langen Politiktag. Mit meiner Mutter geht es gar nicht, sie als Chemikerin würde das Öl am liebsten pipettieren.
WELT AM SONNTAG: Wäre Chemikerin ein Berufswunsch für Sie gewesen?
Pop: Ich wollte lange Zeit Ärztin werden, habe sogar das große Latinum gemacht und schnitt im Mediziner-Test gut ab.
WELT AM SONNTAG: Wie kamen Sie dann zur Politologie?
Pop: In den 90er-Jahren war überall von der „Ärzteschwemme“ die Rede. Es gab einen Niederlassungsstopp für Mediziner. Da schien mir die Zukunft zu unsicher. 13 bis 14 Jahre Ausbildung sind ja schon eine Investition. Im Wahlkampf 1998 – Gerhard Schröder für die SPD gegen Helmut Kohl für die CDU – bin ich gemeinsam mit Freunden bei den Grünen in Münster reingerutscht. Das war eine spannende Zeit, in der sich ganz neue Möglichkeiten eröffneten und wir am Ende ja auch die erste rot-grüne Bundesregierung bekamen.
WELT AM SONNTAG: Sie sind dann aber in die Landespolitik eingestiegen, wurden 2001 mit 23 Jahren die jüngste Abgeordnete in Berlin. Hat Sie die Bundespolitik später nie mehr gereizt?
Pop: Ich finde, dass wir gerade auf Landesebene viel bewegen. In der Bundespolitik geht es leider oft zu wie in den Talkshows: viel Gerede um nichts. Kein Erkenntnisgewinn. So wie beim Asylstreit der CSU. Das ist reiner Populismus, von Bayern inszeniert, angesichts des drohenden Machtverlusts der CSU. Ich mache lieber Politik für Deutschlands einzige Weltmetropole. Alle Themen, die uns hier bewegen, sind für das ganze Land relevant: Migration, Mobilität der Zukunft, die Energiewende, bessere Schulen oder neue Ideen für den Tourismus.