Berlin platzt aus allen Nähten. 50.000 Menschen kamen zuletzt als neue Bürger*innen pro Jahr in unsere Stadt. Sie alle wollen gut wohnen, sichere Arbeitsplätze, genügend Kita- und Schulplätze für ihre Kinder. Die wachsende Stadt stellt Berlin vor eine doppelte Herausforderung: Gleichzeitig die versäumten Investitionen der letzten Jahrzehnte aufholen und zugleich fit werden für den Zuwachs.
In einem Bereich kann Berlin das Wachstum bis jetzt gut gestalten: die Wirtschaft Berlins brummt. Die Arbeitslosigkeit sinkt trotz Zuzugs stetig, das Bruttoinlandprodukt wächst deutlich schneller als im Durchschnitt der Bundesländer. Aber es gibt ein großes Problem am Horizont: die Flächenknappheit. Wenn wir Industrie und Gewerbe in unsere Stadt locken wollen, brauchen wir bezahlbare und gut erschlossene Flächen. Noch haben wir Potentiale zum Beispiel im Clean-Tech-Park in Marzahn oder zukünftig in Tegel, wenn der Flughafenbetrieb beendet wird.
Eine Herausforderung ist, dass immer häufiger Gewerbeflächen auch Objekt von Begierde anderer Interessen werden. Klar: wir brauchen mehr und bezahlbaren Wohnraum; wir müssen Schulen und Kitas bauen; wir wollen Natur- und Erholungsflächen erhalten. Aber wir brauchen eben auch Arbeitsplätze und Flächen für Gewerbe. Ein aktuelles Beispiel wurde gerade im Steuerungskreis Wohnungsbau diskutiert.
Es geht um eine Gewerbefläche in Marzahn, dem sog. „Knorr-Bremse“-Areal an der Landsberger Allee. Hier hat ein Investor die Fläche von Knorr für ca. 70€/m² erworben – wohlgemerkt als Gewerbe- und Industriefläche. Zur Erschließung des Geländes haben die Stadt und der Bund Millionenbeträge für Infrastrukturmaßnahmen bewilligt: Brückenbauten, eine Erschließungsstraße, Rad- und Fußwege. Nun wollte der Investor allerdings lieber Wohnungen auf dem Gelände errichten lassen. Damit lässt sich sehr viel mehr Geld verdienen: nach aktuellen Schätzungen würde sich der Bodenrichtwert auf 230-240€ mehr als verdreifachen. Aus meiner Sicht ein klassischer Fall von spekulativen „Landbanking“.
Gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Müller und der Kollegin Lompscher konnten wir hier einen Kompromiss finden. Neben einer Bürobebauung wird auf dem Gelände nun studentisches Wohnen entstehen. Durch die konkrete Bebauung sollen die Bewohner*innen vor Lärm geschützt und so Klagen, die womöglich das bestehende Gewerbe gefährden, verhindert werden. Eine Lösung für diesen Einzelfall – aber keine Lösung für das Grundproblem.
Es gilt als Stadt und Senat standhaft bleiben: Gewerbeflächen müssen geschützt werden. Die Bundesregierung plant eine Neuauflage der Grundsteuer C als Maßnahme gegen spekulativen Stillstand. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass diese auch für Gewerbeflächen gilt. Investoren, die auf den großen Reibach hoffen, indem sie Gewerbeflächen brach liegen lassen, brauchen ein klares Stopp-Signal. Das gilt auf Landesebene ebenso wie in den Bezirken.